zeichen und pfade

interkulturelle Veranstaltung
zum Thema Übergang, Tod, Wandlung
22. November 2009, Deutschhofkeller Heilbronn 

Die Veranstaltung erfolgte in diesem Jahr erstmals in Zusammenarbeit mit dem Deutsch- Afrikanischen Verein Heilbronn e.V. (DAVH). Sie war integriert in das Kulturprojekt Friedhöfe – mehr als eine letzte Ruhestätte der Kulturregion Heilbronner Land. 

Die Veranstaltungsreihe von über...brücken ist ein interdisziplinär angelegtes Kunst- und Kulturprojekt zum Themenkreis von Übergang, Tod und Wandlung und fand in diesem Jahr zum 5. Mal in Heilbronn statt.

„Das Bewusstsein um unsere Sterblichkeit hat die Fantasie der Menschen seit frühesten Zeiten angeregt und in der Religion, Mythologie, Kunst, Architektur, Philosophie und in der Folklore der verschiedenen Kulturen auf sehr unterschiedliche Weise ihren Ausdruck gefunden.“ (Constantin von Barloewen, Kulturwissenschaftler). In unserer Gesellschaft, die vorrangig auf Zukunft und Fortschritt ausgerichtet ist, erscheint es uns nach wie vor sinnvoll, dieses Bewusstsein auf kreative Art lebendig zu halten. Die zunehmenden Kontakte mit anderen Kulturen – auch durch die Medien – laden zum Entdecken anders- artiger Riten, Sitten und Gebräuche ein. Ein wichtiges Ziel der Veranstaltung ist es, die kulturelle Vielfalt als Besonderheit und Möglichkeit gegenseitiger Akzeptanz erlebbar zu machen, auch wenn es angesichts der Dimension der Thematik und der bescheidenen Rahmenbedingungen Ansätze sind, die gestaltet und vermittelt werden.
Anstelle von Marina Wieland und Alberto Jerez, Mitbegründer der Projektgruppe und Organisatoren der letzten Jahre, die in den Berliner Raum gezogen sind, erhielt Jutta Klee Unterstützung von Ursula R. Juretzka als Mitveranstalterin.
Die „Zeichen und Pfade“ verbanden uns in diesem Jahr mit Afrika, Australien, Peru und Deutschland. Wir danken allen Teilnehmenden für ihre Beiträge.

Jutta Klee
Projektgruppe über...brücken

Wir danken

 

 
 
 

    Kunst als Raumsituation

    Installation (Bühne, Figur mit Maske)
    Jutta Klee
    freischaffene Künstlerin
    Kunst- und KulturWerkHaus ZIGARRE Heilbronn

    Bild links, Rolf Nikel

 

 

In seinem Grußwort bedankte sich Bürgermeister Harry Mergel bei allen Beteiligten für ihre Bereitschaft und das ehrenamtliche Engagement hinsichtlich der Programmgestaltung für diese Thematik.

 

 
 

 

AGBADJA ist der Name einer Trauermusik aus Togo, mit Elementen traditioneller Musik und christlichem Gesang. Üblicherweise wird auf Beerdigungen zu Ehren der Toten dazu getanzt.

 

 

 
 

Demonstration der afrikanische Erzählkunst mit der überlieferten Geschichte „Mein Besuch bei Walumbe, dem Tod, in Ntanda“.
Ein Erzähler berichtet vom Verlauf seiner traumartigen Reise in das Reich des Todes. Es kostet ihn seine ganze Kraft den richtigen Weg/Pfad zu finden, der zu einer Nebelwand mit vielen Türen führt und diese zu erreichen. Aber alle Bemühungen, die Türen zu öffnen und dadurch in eine vermeintlich heitere Jenseitswelt zu gelangen, scheitern. Stattdessen erwacht er nach schwerer Krankheit wieder zu neuem Leben.
Das Urbild (der Archetyp) des Weges, der als ein gegangener oder getanzter durch ein Tor des Todes und der Geburt führt, existiert seit den frühesten Kulturen der Menschheit. Damit verbindet der Wissenschaftler Erich Neumann unserer heutiges Verständnis vom „Schicksalsweg“. 

 

Objekt mit afrikanischer Maske. Die Gesichtsmaske okuyi (der Punu in Gabun) stellte früher auf Beerdigungszeremonien den zurückgekehrten Geist eines schönen Mädchens dar. 

Leihgabe, Sammlung Dr. Hartmut Neuschwander

 

 

 
 

Der perunanische Künstler Jaime Colán trug neben seiner Altarinstallation sein Gedicht „Ode an den Baum des Lebens und des Todes“ auf spanisch vor. Übersetzung ins Deutsche von Ute Wolf.

Ode an den Baum des Lebens und des Todes 

Unter dem Schatten des Eukalyptosbaums trinke
ich Ayahuasco mit dem Schamanen Martin
Celedin und mein leichter Körper
reist mit den Spatzen in die Welt der
reifen Weiden
mit den wilden Heidelerchen die die Stirn des
Lebens und des Sterben liebkosen. 

Meine Seele geht ein in die innere Welt des
Schmerzes wo die unvollkommenen Toten mit
den grünen Tieren einherwandeln
in den smaragdgrünen von der Morgensonne
meiner verlorenen Kindheit erwärmten Wiesen. 

Lebenshunger habe ich und auch Todeshunger
und verloren gehe ich durch die brüderliche Welt
der Bäume
betrachtend die menschliche Tragödie ohne die
verschlungenen Pfade dieses versteckt sich
duckenden Übels zu verstehen. 

Fleischlicher Baum, sterblicher Baum
ein Strom von Bäumen schlägt meine Brust
mit der uralten Wut der verbrannten Bäume. 

Wir sind du und ich
sind alle
oder niemand

Zeder Freund der Toten.
Eibe magischer Baum
die Seele der Lebenden besänftigende Pappel
Weißdorn Tonikum für das Herz
Capuli Ananaskirsche süßer Wein
Pisonay, rote Blüten der Liebe
Huayruro
der in den verschneiten Höhen wächst
der tiefen Täler Perus.

Ich lernte in der Brüderlichkeit der Bäume mit
dem Bösen auflauernd der Ehrbarkeit der Sonne
mich zu versöhnen mit dir
zu verstehen die geistige Verbindung der grünen
Horizonte
die Beeren der Weide
die Prophezeiungen der Cocapflanze und
Haselstrauches
das heiße Feuer der Erle
der Ayajuasca Getränk der Götter
Meine Freunde
begleitet mich auf der Reise zum Tod um zu
vergessen die Einsamkeit dieses gelebten Lebens
ohne zu wissen wohin ich gehe noch mit wem
ich die Schatten betrachten werden des Todes

Fruchtbarer Baum
ich versenke mein Leben
in jedem roten Ast
in jedem deiner Blätter
in jeder Wurzel
alter Baum mein Freund
lernte ich zu sterben ohne Angst vor dem Tod.

Jaime Colán
freischaffender Künstler
Kornwestheim / Peru

 

 

 
 

In ihrem Power-Point Vortrag berichtete eine Dipl. Psychologin von den Lehren des „El Tuno“, dem international bekannten Schamanen Don Calderon aus Nordperu und seiner Heilarbeit. Grundlage dieser Heilzeremonien ist ein Bodenaltar, die Mesa, ein Arrangement von heiligen Gegenständen, die in dieser Tradition ein Abbild und ein komlexes System der Lebenswelt darstellt. Die Psychologin erläuterte dies in Bezug zu seiner spirituellen Welt und seines universellen Wissens, um die Einheit allen Lebens. Im Mesaritual begibt sich der Schamane in Trance, um die Alltagswelt zu verlassen und im Kontakt mit spirituellen Kräften zur Diagnose und Ausrichtung von Heilung befähigt zu sein.

Der peruanische Schamanismus ist eine uralte und bis heute sehr lebendige Heilungs- und Weisheitstradition, die alle Lebewesen, Mineralien, Elemente und kosmische Energien als miteinander verbunden ansieht, durchdrungen von der sichtbaren und unsichtbaren Welt.

„Die Botschaft ist“, so die Psychologin, „habt keine Angst vor dem Tod, denn alles auf Erden und im Universum erfährt eine Transformation.“

 

 

 
 

Traumzeit, Tod und Jenseitsvorstellungen der Aborigines

Aus dem Vortrag:
Für uns, die wir mit der westlichen Denkart vertraut sind, ist die Traumzeit schwer zu begreifen. Die australischen Ureinwohner nennen das, was wir Evolution nennen, den Traum der Ahnen.
In der TRAUMZEIT agierten in den Vorstellungen der Aborigines mächtige Traumzeitwesen, die in beliebiger tierischer oder menschlicher Gestalt auftreten konnten. Sie formten durch Wanderungen, Gefechte, die Jagd, Überfälle und ihr Liebesleben die Oberfläche der Erde. Höhenzüge wurden geschaffen, Wasserlöcher gestaltet, Felsblöcke in der Landschaft verteilt, der Wuchs von Gräsern und Bäumen bestimmt oder der Fischreichtum in Seen und Flüssen geschaffen.
Wir können diese Traumzeitwesen auch als Kulturheroen bezeichnen, denn sie sind auch die Begründer aller kulturellen Errungenschaften. Sie legten die sozialen Gesetze und Vorschriften fest, die das Zusammenleben der Menschen und ihre Einstellung gegenüber der Natur und Tierwelt regelten. Sie schufen die Jahreszyklen, die Vegetationszonen und die Fruchtbarkeit der Tiere und Pflanzen.
Gleichzeitig lehrten sie die Menschen, wie sie sich diesen Nahrungsreichtum zunutze machen konnten, und wiesen sie in die Techniken des Jagens und Sammelns ein. Damit einher gingen Jagdvorschriften und Verhaltensmaßregeln gegenüber bestimmten Tieren. Es wurde so ein Verhaltenskodex in Bezug auf die gesamte Umwelt geschaffen.
Der gesamte Moralkodex allen Lebens auf der Erde wurde nach den Vorstellungen der Aborigines während der Traumzeit geschaffen. Es ist das Traumzeit-Gesetz – „Aboriginal law“. Die Epoche der Traumzeit ging zu Ende, als drei grundlegende Voraussetzungen für die Verkörperung bewussten Lebens geschaffen worden waren: – die einzigartige Topographie der Erde – die verschiedenen Arten von Lebensformen und – die Modelle für die sozialen Beziehungsnetze.
Es gibt ein Leben nach dem Tod – auch im Glauben der australischen Ureinwohner. Die Seele oder, so die Vorstellung der Aborigines, auch mehrere Seelen oder Teilseelen eines Menschen verlassen nach dessen Tod den Körper und suchen nun eigenständig nach einem neuen Bestimmungsort. Sie kehren dabei zurück in das Fruchtbarkeitszentrum, aus dem auch die Traumkinder stammen, oder reisen in das Reich der Toten, wo sich schon andere Seelen versammelt haben.
Bevor jedoch der endgültige Verbleib der Seele eines Verstorbenen geklärt ist, besteht ein höchst kritischer labiler Zwischenzustand. Der Tod muss zunächst endgültig be- siegelt und die Seele(n) freigesetzt werden. Die Hinterbliebenen werden mit entsprechenden Zeremonien getröstet und gestützt. Der Tote erhält eine angemessene Bestattung, die der regionalen Tradition entspricht. Es gibt Feuer-, Erd- und Baumbestattungen. Sogar die Mumifizierung ist aus einigen Teilen Australiens bekannt. 

Ursula R. Juretzka 

Ursula R. Juretzka
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Traumtherapeutin
Bad Rappenau

 

 

 

 

Jutta Klee
Ausschnitt aus dem Bühnenbild

 

 

 

 

Der Musiker Ralph Gaukel entführte die Besucher mit magisch wirkenden Klängen auf dem Didgeridoo in die Traumzeit der Aborigines. Als Schüler von internationalen und australischen Didgeridoospielern spielte er auf verschiedenen Instrumenten sowohl traditionelle Weisen als auch eigene Interpretationen.
Der Traumzeitmythos „Warum die Menschen sterben“, den er erzählte, handelt von Bonelya, der Fledermaus, die dem Urvater bei der Erschaffung der Welt und ihrer Lebewesen bis zur totalen Erschöpfung geholfen hatte und sich nun in einem hohlen Baum ausruhte. Dabei dürfe sie auf keinen Fall gestört werden, ordnete der Urvater an. Eine Frau streifte aus Unachtsamkeit mit ihrem Holzbündel den Baum, so dass die Fledermaus erschreckt davonflog. Aus Strafe wies Nouralie, der Urvater, allen Lebewesen den Tod zu.
Die Geschichten der Aborigines haben – in Abweichung von unseren Märchen – eine normgebende Bedeutung. In diesem Beispiel wird übermittelt, dass in ihrem Glauben Menschen und Tiere gleichwertig sind, da sie durch ihre Entstehung aus der Traumzeit denselben Geist und eine gemeinsame Seelenenergie in sich tragen. Zum Abschluss informierte der Musiker über die Entstehung und Herstellung des Instruments und gab eine lebendige Einführung in die Spieltechnik. 

Ralph Gaukel
Musiker und Seminarleiter

 

 
 

 

 

Konzeption: Jutta Klee, Ursula R. Juretzka
Organisation: Jutta Klee, Sibylle Schmid
Text: Jutta Klee
Fotografien, Layout: Sibylle Schmid

 

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